Montag, 10. März 2008
Technik
Nehmen wir mal an, die Wasserversorgung würde liberalisiert. Dann könnte ich den städtischen Wasserwerken kündigen und einen Liefervertrag mit einem anderen Wasseranbieter abschließen. Nehme ich Freixenet, dann kann ich für einen etwas höheren Preis in Sekt baden, oder nehme ich Selters, dann kann ich mit Sprudel ab- oder sonstwie spülen.

Kann ich natürlich nicht. Weil die Wasserversorgung nicht liberalisiert ist. Und weil, wenn ich dann einen Liefervertrag mit Freixenet abschließe, die mir keine Leitung von Barcelona nach Hause legen, aus der Cava sprudelt.

Preisfrage: Wenn ich den Stromanbieter wechsele, was ich tun kann, weil der Strommarkt liberalisiert ist, wird dann die Straße vorm Haus aufgebuddelt? Nein. Ich behalte den gleichen Stromanschluß, bekomme den gleichen Strom, aber ich erhalte die Rechnung eben von einem anderen Anbieter, und eventuell auch mit einem anderen Preis.

Noch eine Preisfrage: Wenn ich jetzt den Stromanbieter wechsele und, sagen wir mal, 100% Öko-Strom bestelle, bekomme ich dann 100% Öko-Strom? Aufmerksame Leser wissen: Es wird deshalb keine Leitung von der nächsten Windkraftanlage bis zu meinem Haus eingebuddelt.

Wie funktioniert das dann überhaupt? Ist das alles Etikettenschwindel?

Nicht wirklich (TM). Jeder Stromanbieter, zu dem ich wechsele, muss die Strommenge, die ich beziehe, irgendwoher besorgen. Das funktioniert über lang- oder kurzfristige Lieferverträge, oder über die Europäische Strombörse. Und weil man nicht bei jedem Hansel wie mir dauernd misst, wieviel Strom ich wann verbrauche, sondern nur, was ich insgesamt in, sagen wir mal, einem Jahr verbraucht habe, gibt es Standard-Kurven, wann so Hansel wie ich wieviel von ihrem Strombedarf verbrauchen.

Ob ich dann nachtaktiv bin, oder Schicht arbeite, oder bevorzugt morgens warm esse, also mich vollkommen untypisch verhalte, spielt dann keine so große Rolle. Dafür verhalten sich andere Leute genauso untypisch, und am Ende kommt im Mittel eine typische Kurve raus.

Die Kurven werden alle zusammengezählt, und für die Summe muss der Stromanbieter dann auch Strom einkaufen, von Stromerzeugern, die unter anderem auch Öko-Strom im Angebot haben. Der ist natürlich ein bisschen teurer als der andere, aber das sollte es einem ja wert sein.

2007 wurden 14% des Strombedarfs in Deutschland aus regenerativen Quellen erzeugt (wozu witzigerweise auch Müll gehört), und ich vermute jetzt einfach mal, dass weniger als 14% der deutschen Stromkunden explizit Öko-Strom bestellt haben. Was bedeutet: Wenn ich heute Öko-Strom bestelle, dann bekomme ich nicht unbedingt Öko-Strom, und es wird auch nicht unbedingt mehr Öko-Strom erzeugt - ist ja noch genug da. Ich zahle einfach nur mehr. Was es mir ja wert sein sollte.

Schließlich setze ich ein Zeichen. Und wenn irgendwann mal mehr als 14% des Strombedarfs als Öko-Strom bezahlt wird, dann müssen die entsprechenden Erzeugungskapazitäten auch nachgewiesen und eingekauft werden.

Ich geh' mal schnell den Müll runterbringen.

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