Mittwoch, 9. Juli 2008
Technik
Auf dem Gelände des französischen Atomkraftwerks Tricastin ist in der Nacht von vorgestern auf gestern radioaktive Flüssigkeit ausgetreten und in die Umgebung gelangt. Die französische Atomsicherheitsbehörde ASN spricht von 30 m³. Das entspricht etwa 100 vollen Badewannen.

Je nach veröffentlichendem Presseorgan kann man seit gestern entweder 30 m³ lesen, oder 30.000 Liter, je nachdem, ob die ausgetretende Menge möglichst groß oder möglichst unbedeutend erscheinen soll.

An der Tatsache, dass ein Fehler bei der Dekontamination von leicht radioaktiven Flüssigkeiten auf dem Gelände des Kraftwerks zu einem Überlaufen des dafür vorgesehenen Behälters geführt hat, ändert das nichts. Auch nicht daran, dass das Auffangbecken, das genau für so einen Störfall errichtet wurde, zu dem Zeitpunkt wegen Bauarbeiten undicht war und die Flüssigkeit deshalb in die Kanalisation und zwei Flüsse gelangen konnte.

Sicherheitssysteme in Kernkraftwerken sind immer hochgradig redundant. Das soll verhindern, dass das Versagen eines Systems, aus welchem Grund auch immer, zu einem Versagen des Gesamtsystems führt. Dass die Dekontamination der Flüssigkeiten fortgesetzt wurde, obwohl das Rückhaltebecken wegen Bauarbeiten undicht war, zeigt, was Schlamperei und Gedankenlosigkeit und vor allem Murphy trotz aller Redundanz anrichten können.

Zweifellos wird der Unfall dazu führen, dass Sicherheitsregeln verschärft und Abläufe restriktiver gehandhabt werden. Jeder Unfall trägt dazu bei, zukünftige Unfälle zu vermeiden. Jeder Unfall sollte aber auch dazu beitragen, sich bewußt zu machen, dass es absolute Sicherheit nicht geben kann - nur Nachlässigkeit ist immer vorhanden. Das, und nicht, ob man 30 m³ oder 30.000 Liter schreibt, sollten die Entscheidung beeinflussen, ob das Risiko politisch verantwortet werden kann.

Aber morgen ist dann wieder irgendein Känguru aus einem Zoo ausgebrochen. Oder der Ölpreis nochmal um 5 Dollar gestiegen. Oder die Bayern haben den Klinsmann rausgeworfen und Matthäus eingestellt.

Na, Hauptsache, er kommt nicht zum Club. Wo war ich?

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Was gibt es daraus zu lernen?:
Wenn ich ein "Unfallvermeidungssystem" installiere und weiß, dass es noch 5 andere gibt, bin ich dabei nachlässig. Jedes weitere "Unfallvermeidungssystem" wird genau unter diesem Phänomen leiden. Leider kommt das in der Presse nicht so gut, wenn man jetzt schreibt: "Nach dem Unfall mit den 30 Kubikmetern radioaktiver Flüssigkeit gibt es jetzt nur noch ein Sicherheitssystem - das wurde aber vernünftig installiert und vorher auf Fehler untersucht." Die Mehrheit der Menschen würde wohl an meine Behauptung nicht glauben, außerdem geht es ja um fühlen, und wir fühlen uns nunmal sicherer, wenn es mehr Sicherheit gibt. Die Quantität gibt dem Kopf das richtige Signal.

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Es sollte eher so sein, dass es mehrfach redundante Sicherheitssysteme gibt, die auf unterschiedlichen Wirkprinzipien beruhen und unabhängig voneinander eingreifen, und die Bedienmannschaften trotzdem stets sorgfältigst arbeiten.

Aber dagegen spricht eben Murphy und die menschliche Natur. Außerdem kann man jedes Risiko nur auf ein bestimmtes Maß reduzieren, aber nie ganz ausschließen.

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